Wer sich der Müritz von Südwesten nähert, erblickt schon aus der Ferne zwei markante Kirchtürme, die wie Wächter über dem Wasser thronen. Röbel ist im Vergleich zum quirligen Waren oft der ruhigere, fast schon beschauliche Gegenpol, doch wer die Stadt als bloßes Anhängsel der Mecklenburgischen Seenplatte abtut, verpasst eines der architektonischen Juwele der Region. Die Stadt, die offiziell den Beinamen „Röbel/Müritz“ trägt, hat sich ihren ganz eigenen Charme als ehemalige Ackerbürgerstadt bewahrt.
Hier finden Sie keine protzigen Hotelburgen direkt in der ersten Reihe, sondern ein engmaschiges Netz aus liebevoll sanierten Fachwerkhäusern, die sich sanft an die Hügel der Endmoränenlandschaft schmiegen. Wenn Sie durch die Gassen schlendern, spüren Sie an jeder Ecke, dass hier Geschichte nicht nur in Museen stattfindet, sondern überall sichtbar ist. Ein Spaziergang durch Röbel ist immer auch eine Zeitreise.
Es ist eine Besonderheit von Röbel, dass die Stadt eigentlich aus zwei getrennten Siedlungen zusammengewachsen ist, was Sie heute noch an der Struktur der beiden großen Kirchen erkennen können. Die Altstadt, rund um die St. Marienkirche gelegen, entstand bereits im 13. Jahrhundert auf einer slawischen Siedlungsstätte. Nur wenig später gründeten deutsche Siedler direkt daneben die Neustadt mit der St. Nicolaikirche.
Über Jahrhunderte besaßen beide Stadtteile eigene Verwaltungen und sogar eigene Marktplätze, was für eine Stadt dieser Größe absolut ungewöhnlich war. Erst im Jahr 1273 wurden die beiden Siedlungen offiziell vereinigt. Wenn Sie heute von der einen Kirche zur anderen laufen, überqueren Sie quasi eine unsichtbare Grenze, die einst zwei Welten trennte.
Diese historische Zweiteilung hat dazu geführt, dass Röbel heute über ein extrem weitläufiges Zentrum verfügt. Die Ackerbürger, die hier lebten, betrieben Landwirtschaft innerhalb der Stadtmauern, was die vielen großen Toreinfahrten an den Fachwerkhäusern erklärt. Diese Tore waren keine Zierde, sondern notwendig, um mit den Erntewagen direkt in die Innenhöfe zu gelangen. Viele dieser Gebäude wurden nach der Wende mit viel Liebe zum Detail restauriert. Besonders beeindruckend ist das Ensemble rund um den Marktplatz der Altstadt, wo das Rathaus im klassizistischen Stil einen markanten Kontrast zum roten Backstein der umliegenden Häuser bildet.
Wer sich für die tiefere Stadtgeschichte interessiert, sollte einen Blick in das Heimatmuseum werfen, das im ehemaligen Heilig-Geist-Hospital untergebracht ist. Dort erfahren Sie mehr über die Zeit, als Röbel noch ein bedeutender Standort für das Tuchmacherhandwerk war.
Ihr Weg sollte Sie unweigerlich zur St. Marienkirche führen, dem ältesten erhaltenen Gebäude der Stadt. Diese Backsteingotik-Kirche thront auf dem Tempelberg und ist schon allein wegen ihrer Akustik und der schlichten Schönheit des Innenraums einen Besuch wert. Das wahre Highlight für Besucher ist jedoch der Aufstieg auf den Turm. Die Stufen sind eng und steil, doch die Mühe lohnt sich zweifellos. Oben angekommen, stehen Sie auf einer Aussichtsplattform, die Ihnen bei klarem Wetter einen Blick bis weit über die Müritz ermöglicht.
Achten Sie beim Rundgang durch die Kirche auf die mittelalterlichen Wandmalereien, die bei Restaurierungsarbeiten freigelegt wurden. Sie erzählen Geschichten aus einer Zeit, in der die meisten Menschen weder lesen noch schreiben konnten und auf die visuelle Darstellung biblischer Szenen angewiesen waren. Die Kirche ist im Sommer meist für Besucher geöffnet, aktuelle Informationen zu Konzerten oder Führungen bietet die Kirchengemeinde an.
Was Röbel so besonders macht, sind seine Farben. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten in Mecklenburg-Vorpommern, die eher auf den klassischen roten Backstein setzen, finden Sie in Röbel eine Vielzahl an bunt gestrichenen Fachwerkhäusern. Die Farpalette reicht von tiefem Ochsenblutrot über Sonnengelb bis hin zu pastelligen Blautönen. Besonders in der Straße „An der Mühle“ oder rund um den Pferdemarkt fühlen Sie sich wie in einer Filmkulisse. Viele dieser Häuser sind so niedrig, dass man fast das Gefühl hat, die Dachrinne berühren zu können.
Ein Muss auf Ihrem Rundgang ist der Besuch der Alten Synagoge. Es ist eines der wenigen erhaltenen jüdischen Gotteshäuser aus Fachwerk in ganz Mecklenburg. Nach einer wechselvollen Geschichte, in der das Gebäude unter anderem als Werkstatt diente, wurde es aufwändig saniert und fungiert heute als Jugendbildungs- und Begegnungsstätte. Die Architektur ist schlicht, aber die historische Bedeutung für die Stadt ist immens.
Die Hafenpromenade von Röbel ist das Aushängeschild der Stadt und wurde vor einigen Jahren komplett neu gestaltet. Sie verbindet die beiden historischen Stadtkerne auf direktem Weg am Wasser entlang. Hier finden Sie zahlreiche Anleger für Segelboote, die Fahrgastschifffahrt der Weißen Flotte und viele kleine Cafés, in denen Sie das Treiben auf dem Wasser beobachten können. Es ist der perfekte Ort, um sich ein Fischbrötchen zu kaufen – am besten direkt von einem der Kutter, die hier festgemacht haben – und die Beine über der Kaikante baumeln zu lassen.
Der Hafen ist auch der Ausgangspunkt für viele Aktivitäten. Wenn Sie selbst aufs Wasser möchten, können Sie hier führerscheinfreie Boote mieten oder sich einem geführten Segeltörn anschließen. Besonders schön ist der Spaziergang entlang der Promenade am Abend, wenn die untergehende Sonne die Fassaden der Stadt in ein warmes Licht taucht. Die Promenade führt Sie vorbei an modernen Marinas bis hin zum Regattahaus.
